Terroir, Trauben und eine Prise Wahnsinn: Mein Leben als Oenologe

Meine Liebe zum Wein begann in der Kindheit – mit acht Jahren bereits half ich meinem Onkel bei der Kellerbuchhaltung im privaten Weinkeller. Diese wunderbaren Geschichten um diese wertvollen Burgunder- und Bordeauxflaschen weckten meine Neugier.

Ein nachhaltiges Erlebnis hatte ich vor 42 Jahren. In der Gesellschaft meines Onkels durfte ich einen Musigny Grand Cru 1966 probieren. Eine Komposition aus reifem Steinobst, Beeren und Gewürzen, geprägt von einer Vermicellesnote und das Ganze so vielschichtig und feingliedrig im Gaumen. Auch wenn meine Geruchsorgane noch sehr ungeübt waren – ein Erlebnis, das mich nicht mehr losliess.

Später, als es um meine Berufswahl ging, stand ich vor der Frage: Naturwissenschaften oder etwas Kreatives? Die Vorstellung, die Schulbank weiter zu drücken, war für mich alles andere als verlockend. Da fiel das Wort „Önologie“ – die perfekte Mischung aus Wissenschaft, Kunst und der Freiheit, in der Natur zu arbeiten. Mit 23 zog ich als frischvergorener Oenologe in die Toskana und verbrachte dort 20, für mich prägende Jahre. Diese Zeit war nicht nur lehrreich, sondern auch voller inspirierender Begegnungen mit Winemakern und Quereinsteiger, die meine Sicht auf Wein und dessen Herstellung nachhaltig prägten. Zentrale Erkenntnis war dabei: Wein, geprägt vom Terroir, entsteht im Rebberg. Und gelingt es eine Ordnung bzgl. Qualität in den einzelnen Parzellen und Lagen zu finden, können auch in schwierigen guten Jahren charaktervolle, vielschichtige und genussvolle Weine kontinuierlich entstehen.

Ende 2011 begann mein Abenteuer beim Weingut Schmidheiny in Heerbrugg. Zu Beginn hatte ich Bedenken, ob die Trauben im kühlen Klima ausreichend reifen würden. Glücklicherweise wurden mir von Anfang an grosse Freiheiten in der Produktion eingeräumt. So konnte ich mit extremen Experimenten im Weinberg beginnen und eine erste Qualifizierung der Parzellen vornehmen. Dabei hatte ich immer willensstarke und interessierte Kollegen in meinem Team, welche den entscheidenden Impuls gaben, weiterzumachen. Auch wenn ich mir bei gewissen Experimenten nicht immer so sicher war, ob der eine oder andere mich doch gerne mal unter dem Traktor gesehen hätte. Aber auch die klimatischen Entwicklungen der letzten zehn Jahre haben die Trauben stark beeinflusst.

Die Qualität unserer Trauben, besonders bei den burgundischen Sorten wie Chardonnay, Pinot Noir oder beim Räuschling, haben sich sensorisch stark verändert. Die Aromen, wie auch die Farbbildung sind intensiver, die Säuren tiefer geworden und die Gefahr alkoholreicher Weine ist gestiegen. Vor Ort im Weinberg zu sein, ist entscheidend für den Weinerfolg. Das richtige Schneiden, Entlauben und der perfekte Erntezeitpunkt führen zu aussergewöhnlichen Weinen.

Im Jahr 2024 haben wir eine besonders aromatische Ernte unserer Weissweintrauben – und der Alkoholgehalt ist niedriger als gewohnt. Trotz weniger Alkohol sind die Aromen intensiv, was zeigt, wie dynamisch und spannend die Weinproduktion ist. Als Önologe lernt man nie aus – ein Leben voller Terroir, Trauben und einer Prise Wahnsinn.